Ludwig Ganghofer und seine Kriegstagebücher

Heute sehen wir in Ludwig Ganghofer (7. Juli 1855–24. Juli 1920) in erster Linie den populären Verfasser idyllischer Heimatromane: Blauweißer Himmel, tiefblaue Seen, hohe Berge und am Ende siegen Gerechtigkeit und Liebe. In der Tat war der in Kaufbeuren geborene Förstersohn der auflagenstärkste deutschsprachige Autor seiner Zeit. Einige seiner in den bayerischen Alpen spielenden Romane und Theaterstücke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auch sehr erfolgreich verfilmt, darunter „Schloß Hubertus“ und „Das Schweigen im Walde“.
Aber Ludwig Ganghofer darf nicht auf das Klischee eines "Alpenautors" reduziert werden. Der promovierte Literaturwissenschaftler gründete 1897 die "Münchener Literarische Gesellschaft", die sich für eine progressive Literatur und noch unbekannte Autoren wie Rainer Maria Rilke einsetzte. Er unterstützte Frank Wedekind in dessen Auseinandersetzungen mit der Zensur. In seinem Jagdhaus in Tirol waren u.a. Ludwig Thoma, Franz von Stuck und Hugo von Hofmannsthal regelmäßig zu Gast.
Zu Ganghofers komplexer Persönlichkeit gehören allerdings auch eine tiefpatriotische Gesinnung und eine nahezu schwärmerische Verehrung von Kaiser Wilhelm II. (dessen Lieblingsautor er gewesen sein soll). Ludwig Ganghofer berichtete zwischen 1915 und 1917 als Kriegsberichterstatter von diversen Kriegsschauplätzen und schrieb darüber seine propagandistische "Reise zur deutschen Front" (Wien, 1915). 1917 wurde er Mitglied der nationalistischen "Deutschen Vaterlandspartei".

Das Literaturarchiv der Monacensia verwahrt seit 1977 den umfangreichen Nachlasses Ludwig Ganghofers. In 62 Kassetten liegen über 100 Biografische Dokumente, annähernd 1.000 Briefe, fast 250 Manuskripte und zahlreiche Fotos. Sie sind komplett im Online-Katalog der Monacensia erschlossen und können nach Vorbestellung im Hildebrandhaus eingesehen werden.
In diesem Nachlass befinden sich auch sieben Kriegstagebücher in Wachsleindwand mit handschriftlichen Aufzeichnungen und Skizzen. Sie bildeten gewissermaßen die autobiografische Basis für die chauvinistischen Zeitungsartikel und Bücher des Erfolgsautors.
Anlässlich des 100. Todestags Ludwig Ganghofers hat die Monacensia die erste Transkription dieser in Gabelsberger Kurzschrift verfassten Notizbücher in Auftrag gegeben, um sie auf diesem Portal der Wissenschaft und interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Monacensia möchte mit dieser einmaligen literarischen und historischen Quelle einen Impuls setzen für eine historisch-kritische Beschäftigung mit diesem widersprüchlichen, facettenreichen Autor.
Die Monacensia-Bibliothek verfügt über 144 Bücher von Ludwig Ganghofer, 57 Titel über ihn, darunter sind auch einige Rundfunk-Manuskripte zu Sendungen im BR und eine umfangreiche Autorenmappe mit Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln.
Die Transkription erstellt der Stenographen-Zentralverein Gabelsberger e.V., gegründet bereits 1849. Neben umfassenden Lehr- und Übungskursen in verschiedenen Kurzschriftsystemen und Computerkursen transkribiert der Verein Texte aus privaten, aber auch wissenschaftlichen Quellen in Gabelsberger-Schrift.
Die Freunde der Monacensia haben dankenswerterweise dieses Projekt finanziell unterstützt.