Familie Mann / Erika Mann / Leben & Werk

Erika Mann mit Thomas Mann
Erika Mann mit ihrem Vater Thomas Mann, ihre Mutter Katia Mann wie so
oft im Hintergrund.
Erika Julia Hedwig Mann wird am 9. November 1905 als erstes Kind von Katia und Thomas Mann geboren. Wenige Jahre nach dem Umzug der Familie in die Villa im Herzogpark, in die „Poschi“, gründet Erika 14-jährig gemeinsam mit ihrem Bruder Klaus – mit dem sie sich ihr Leben lang wie mit einem Zwilling verbunden fühlt – und befreundeten Nachbarskindern die Kindertheaterbühne „Laienbund deutscher Mimiker“. Doch da diese Gruppe nicht nur zusammen Stücke aufführt, sondern im beschaulich-gediegenen Herzogpark den Anwohnern auch böse Streiche spielt, muss Erika 1922 für vier Monate ein reformpädagogisches Landschulheim besuchen; anschließend kehrt sie nach München zurück und legt, mehr schlecht als recht, 1924 ihr Abitur ab.
Ihre Leidenschaft für die Bühne verfolgt Erika zielstrebig – wie alle anvisierten Projekte in ihrem Leben. Schon 1923 erhält sie ihr erstes Engagement bei Max Reinhardt in Berlin. Im Anschluss an das Abitur nimmt sie dort ein Schauspielstudium auf, das sie aber aufgrund zahlreicher Bühnenengagements bald wieder aufgibt. 1926 heiratet Erika Mann den Regisseur des Theaterstücks „Anja und Esther", Gustav Gründgens, obwohl sie in Pamela Wedekind verliebt ist, mit der sie noch 1925 ein lesbisches Paar in eben diesem Stück gespielt hat; nach weniger als drei Jahren wird die Ehe bereits wieder geschieden. Im Herbst 1927 brechen Erika und Klaus zu einer neunmonatigen Weltreise auf, während der sie sich als die „Literary Mann Twins“ inszenieren. Erste schriftstellerische Erfahrung sammelt Erika nach ihrer Rückkehr, als sie mit Klaus den Reisebericht Rundherum verfasst. Anschließend beginnt sie, für Zeitungen und Zeitschriften zu arbeiten – und damit beginnt ihr politisches Engagement. Wie Klaus wählt Erika nach der Weltreise keinen festen Wohnsitz, sondern zieht von Hotel zu Hotel oder wohnt bei ihren Eltern. 1931 gewinnt Erika, ganz die Mutter eine passionierte Autofahrerin, mit Ricki Hallgarten eine 10.000 Kilometer lange Rallye durch Europa. Ab 1932 veröffentlicht sie erfolgreich mehrere Kinderbücher. Doch bereits zu dieser Zeit ist Erika Mann drogen- und alkoholabhängig, weshalb sie ihre Arbeit immer wieder für Kuren unterbrechen muss.
Erika reagiert auf die gesellschaftlich-politischen Veränderungen der 1930er Jahre mit dem hintergründigen, gegen den Nationalsozialismus gerichteten Kabarett „Die Pfeffermühle“, das sie ins Leben ruft. Gemeinsam mit Freunden debütiert sie in München am 1. Januar 1933. Bereits nach einem Monat muss die Gruppe aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten untertauchen. Mit ihren Eltern emigriert Erika Mann zunächst in die Schweiz, von wo aus sie die „Pfeffermühle“ mit Aufführungen bis 1936 in Europa fortführt. Als „geistige Urheberin“ des Kabaretts und deshalb als „deutschfeindlich“ von den Nationalsozialisten eingestuft, wird ihr im Juni 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Schon vier Tage später erhält Erika durch die Heirat mit dem homosexuellen Schriftsteller W.H. Auden den britischen Pass. Der Versuch des Ensembles um Erika, 1937 in den U.S.A. die „Peppermill“ fortzusetzen, scheitert aufgrund mangelnden Interesses des Publikums.
Nachdem sie im selben Jahr offiziell in die USA eingewandert ist, widmet sich Erika Mann primär ihrer politisch motivierten Tätigkeit als Publizistin sowie Rednerin. Im Laufe der nächsten Jahre veröffentlicht sie mehrere Bücher, die die Schrecken des Nationalsozialismus und des Krieges offenlegen – darunter den Bestseller „Zehn Millionen Kinder" –, und tritt als Kriegsberichtserstatterin in den Vordergrund. Nach dem Krieg konzentriert sie sich ganz auf die Arbeit mit und für ihren Vater: Stets an dessen Seite avanciert sie zu seiner „Sekretärin, Biographin, Nachlaßhüterin, Tochter-Adjutantin“. Diese Rolle führt Erika über den Tod von Thomas Mann 1955 hinaus mit der für sie so charakteristischen Entschiedenheit aus, dass sich sogar ihre Mutter Katia zuweilen beiseite gestoßen fühlt, die lange Zeit als „Frau Thomas Mann“ die Rolle der Managerin ausgeübt hat. Nach dem Suizid von Klaus Mann 1949 kümmert sich Erika mit großem Erfolg ebenfalls um die Ordnung und Herausgabe seines Nachlasses. Mit diesen frei gewählten Aufgaben hadert sie, die selbst ernannte „Nachlaßeule“, zeitweise und wird zunehmend unglücklich.
Als Erika 1952 mit ihren Eltern wieder in die Schweiz übersiedelt, verfasst sie dort noch mehrere Kinderbücher, darunter die Reihe Zugvögel (1953-1956). Wohl durch ihren intensiven Missbrauch von Tabletten („niedliche kleine Dinger“) und Alkohol verstärkt, leidet sie ab den 50er Jahren an einer Knochenkrankheit, die ihre Mobilität stark einschränkt. Am 27. August 1969 stirbt Erika Mann an einem Gehirntumor.




Bibliografie Erika Mann

Primärliteratur (Auswahl):
  • Rundherum. Das Abenteuer einer Weltreise (mit Klaus Mann). Berlin: S. Fischer 1929.
  • Stoffel fliegt übers Meer. Stuttgart: Levy & Müller 1932.
  • Muck, der Zauberonkel. Basel: Poligraphischer Verlag 1934.
  • Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. Amsterdam: Querido 1938.
  • Escape to life (mit Klaus Mann). Boston: Houghton Mifflin Company 1939.
  • The lights go down. Middletwon – Nazi-Version. London: Secker &Warburg 1940.
  • Zugvogel-Reihe (4-teilig). München: Franz Schneider 1953–1956
  • Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater. Frankfurt/Main: S. Fischer 1956.
  • Blitze überm Ozean. Hg. v. Irmela von der Lühe u. Uwe Naumann. Reinbek: Rowohlt 2000.
Sekundärliteratur (Auswahl):
  • Helga Keiser-Hayne: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933-1937: Texte, Bilder, Hintergründe. Reinbeck: Rororo 1995.
  • Barbara Murken: Gedanken zum Kinder- und Jugendwerk von Erika Mann. Münster: Geisenheyner 1995.
  • Armin Strohmeyr: Klaus und Erika Mann. Les enfants terribles. Berlin: Rowohlt 2000.
  • Ute Kröger: „Wie ich leben soll, weiß ich noch nicht.“ Erika Mann zwischen „Pfeffermühle“ und „Firma Mann“. Ein Porträt. Zürich: Limmat 2005.
  • Viola Roggenkamp: Erika Mann. Eine jüdische Tochter: Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim. Frankfurt/Main: S. Fischer 2008.
  • Irmela von der Lühe: Erika Mann. Eine Lebensgeschichte. Reinbek: Rowohlt 2009.
  • Uwe Naumann: Fahrt ohne Schlaf: das ungewöhnliche Leben von Klaus und Erika Mann. München: Bayerischer Rundfunk 2009.
  • Signe von Scanzoni: Als ich noch lebte: Ein Bericht über Erika Mann. München: Piper 2012.
  • Anke Hertling: Eroberung der Männerdomäne Automobil: die Selbstfahrerinnen Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach. Bielefeld: Aisthesis 2013.

Katja Lintz

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